MARIO WIRNSBERGER INTERVIEW

F O T O S
Philipp_Schuster
Jan_Federer

I N T E R V I E W
Robert_Sartori

Es war sicherlich nicht meine beste Idee, Marios Interview, auf dem der komplette Erfolg oder Misserfolg dieser Ausgabe lastet, an einem Balkan-Karaoke Abend in einer drittklassigen Pizzeria durchzuführen. Während Marios langen und interessanten Erzählungen, wurden wir also von akustischen Hochgenüssen aus den Zwerchfellen zu gut gelaunter Mitt-50ern unterhalten. Dennoch werde ich dieses Interview, trotz mangelnder Professionalität, als Erfolg verbuchen, vor allem dank Mario, dessen Persönlichkeit mehr Facetten zu bieten hat, als die Stimmlagen komatös alkoholisierter Hausfrauen.

Wieso Skaten? Was waren deine ersten Erfahrungen und wieso war dein Leben danach nie mehr das Gleiche?

Es hat alles in Seeboden begonnen, das ist ein kleines Kaff am wunderschönen Millstättersee in Kärnten. Mein Nachbar war glaube ich der Erste, den ich auf einem Skateboard sah und ich war von der ersten Sekunde fasziniert. Natürlich wollte ich sofort alles nachmachen und bin irgendwie dabei geblieben. Damals gab es nicht wirklich viele Skater, eher eine kleine familiäre Szene, 10-20 Leute würde ich sagen, von denen aber keiner mehr skatet. Für mich war es am Anfang ein sinnvoller Zeitvertreib. Ich war dann auch viel in Villach, Spittal und Klagenfurt unterwegs, aber vor allem waren die Möglichkeiten in Villach um einiges besser.

Hattest du Anfangs irgendwelche besonderen Einflüsse?

Hmm ich muss sagen nicht wirklich. Mein erstes Skatevideo war ein 411, aber das sah ich erst nach ca. zwei Jahren skaten. Ich würde sagen, zu Beginn waren die Seeboden Locals ein prägender Einfluss. Es war für mich einfach sehr inspirierend den Älteren zuzusehen.

Anfang 20 bist du dann nach Graz gezogen. Wieso Graz?

Irgendwann habe ich in Kärnten den Dienste (Markus Diensthuber) kennengelernt. Der hat mich dann auf einem Contest in Graz, ich glaube es war die Uhrturm Challenge, dem Andi Habermaier und dem Rest der damaligen Rollin Crew vorgestellt. Andi hat mir damals das Angebot gemacht bei ihm zu wohnen und so führte Eines zum Anderen. Phil Kurz von Eurohooks unterstützte mich mit Stuff und nachdem ich ein paar Monate im Baumarkt hinter mir hatte, fragte er mich ob ich nicht Lust hätte im Rollin zu arbeiten.

Der Rollin Container war ja ziemlich legendär in Graz.. Anfangs war er noch ein richtiger „Core“ Skateshop wie man ihn sich nur wünschen kann. Er war auch einer der ersten Shops die versucht haben europäische Brands zu pushen. Kam der Impuls von dir?

Nein, den Impuls gab es definitiv schon vor meiner Zeit in Graz. Da waren die Herren Philipp Kurz, Markus Diensthuber und Markus Höller dafür verantwortlich. Ich wurde dann von den Burschen erzogen und hab auch schnell gecheckt das ein europäischer Markt sehr geil wäre. Was sich jedoch als äußerst schwierig herausgestellt hat. Wie man heute noch merkt, beherrscht Amerika den Weltmarkt.

Habt ihr damals auch angefangen für ein Rollin Video zu filmen?

Ja, das waren meine ersten Erfahrungen mit einer VX-1000 und ich war richtig motiviert, weil ich endlich mit einer Kamera filmen konnte, die richtig gute Clips produziert. Für das Rollin Video wurde allerdings schon gefilmt als ich dazukam und vor allem Dienste und Phil waren für mich zu Beginn sehr prägend, weil sie halt schon mehr Erfahrung mit solchem Equipment hatten. Phil hat mir dann auch irgendwann Footage von Gino Iannuci gezeigt, die er in Amerika gefilmt hat.      Das war für mich sowieso einzigartig. Irgendwann hat Andi mehr oder weniger die Rolle als Filmer übernommen und ich kann sagen, dass er es sicher nicht immer leicht hatte, weil wir schon eine große Partie waren. Als ich schon in Barcelona wohnte, wurde aus dem Rollin Video langsam das Yux! Video.

„Ja, ich kann mich erinnern, dass Fugge ständig aus dem Fenster gejuxt hat.

Was war deine Motivation für einen Umzug nach Barcelona? 

Nachdem ich 3 Jahre lang 40 Stunden die Woche im Rollin gearbeitet hatte, wollte ich einfach mehr Zeit zum Skaten haben. Ich habe mich auch in Graz nicht mehr wohl gefühlt. Ein Tapetenwechsel war notwendig und ich dachte mir, jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Auf Dauer war mir Graz zu langweilig, es wurde langsam alles zur Routine und ich wollte nicht stehen bleiben.

In Barcelona hast du auch das erste Mal von Yux! gehört?

Ja, ich kann mich erinnern, dass Fugge ständig aus dem Fenster gejuxt hat. Wir hatten ja wie gesagt schon Jahre für das Rollin Video gefilmt und das hat sich einfach in die Länge gezogen, vielleicht weil Steini und Fugge öfter in Kärnten waren als in Graz. Jedenfalls hat dann Andi das Projekt übernommen – das es dann eine Board Company werden sollte, war glaube ich noch nicht wirklich spruchreif zu dem Zeitpunkt.

Von wem hast du in Barcelona Boards bekommen?

Als ich nach Barcelona gezogen bin, habe ich noch Boards übern Nadler (5 Boro) geflowed bekommen (muss laut lachen). Irgendwann habe ich beim Skaten den Chef von Nomad Skateboards kennengelernt, der hat mich zu sich nach Hause eingeladen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte für Nomad zu fahren. Das war schon eine Ehre für mich, von so einer Firma mit Free Stuff unterstützt zu werden. Als ich zurück in Österreich war, war es aber leider sehr umständlich weiterhin Nomad Stuff zu bekommen, weil es keinen Vertrieb gab und es sehr teuer war, die Boxen zu schicken. Ich habe mich dann für Yux! entschieden, weil ich meine Freunde unterstützen wollte. Zu den Nomad Jungs halte ich allerdings weiterhin Kontakt. Ich bin auch der Meinung das Nomad in Österreich nicht so gut funktioniert hätte, das ist einfach eine spanische Firma die etwas anderes verkörpert.

 Wie war es für dich schlussendlich das Yux! Video in Händen zu halten, nachdem du über einige Jahre dafür gefilmt hast?

Ich bin natürlich nach wie vor sehr stolz auf das Projekt. Allerdings möchte man im Nachhinein immer etwas ändern, wenn man sehr hohe Erwartungen an sich selbst hat. Was die Musikwahl betrifft, hatte ich eigentlich auch kein Mitspracherecht, das hatte aber auch mit Musikrechten zu tun. Alles in Allem halte ich das Video für zu lang, ein härterer Cut hätte sich wahrscheinlich positiv auf das Endprodukt ausgewirkt. Es ist aber auch schwer nach 10 Jahren so ein Projekt zu reflektieren. Es war aber auf jeden Fall eine gute Zeit, die ich nicht missen möchte.

Du hast mittlerweile überdurchschnittlich viele Parts, mit unterschiedlichsten Leuten und für verschiedenste Plattformen und Marken gefilmt. Welcher ist dein persönlicher Favorit?

Definitiv der „Super Natural Winter“ Part den ich mit Matt für Skaters Atlas gefilmt habe. Das hat sich relativ spontan ergeben und wir waren dann ungefähr drei Monate gemeinsam unterwegs. Wenn ich einen Part filmen will, sind mir vor allem Spotästhetik und Trickauswahl wichtig. Das Ganze soll ein harmonisches Bild ergeben.Ich glaube, das hat dieser Part bis jetzt am Besten vermittelt. Einen Filmer, der 100% auf meine Bedürfnisse und Wünsche eingeht, hatte ich allerdings noch nie.

Nach etlichen Jahren auf Yux! hast du dich entschieden den Bier-trinkenden Anarchisten bei Yama unter die Arme zu greifen. Wie kam es dazu?

Fugge ist irgendwann wieder aufs Land gezogen und ich hatte den Eindruck, dass keiner mehr wirklich Yux! repräsentiert. Die alte Crew war kaummehr existent und in meinen Augen hatte die Firma einfach nicht mehr Hand und Fuß. Nach Nomad entschied ich mehr oder weniger aus Loyalität Yux! zu unterstützen, aber von den Ursprüngen war einfach nicht mehr viel übrig. Schade eigentlich, denn es hätte schon funktionieren können, wenn die ganze Sache nicht so chaotisch organisiert gewesen wäre.  Ich war dann immer häufiger mit der Why-Crew unterwegs. Das hat mir dann viel mehr Spaß gemacht, weil das sind wirkliche Street Skater und immer top- motiviert. Ich war froh, wieder mit einer solchen Crew unterwegs zu sein und mit Frido zu filmen hat mich erneut gepusht. Irgendwann hatte ich ein Gespräch mit Muki und ich dachte mir, wieso nicht?

Bist du zufrieden mit deiner Entscheidung?

Ja, absolut. Yama ist eine coole Firma, mit Herz und Charakter! Genau so stelle ich mir eine europäische Marke vor. Generell bin ich sowieso der Meinung, dass sich in Europa eine eigene Szene entwickeln sollte, die nicht von Amerika beherrscht wird. Ich bin mir schon bewusst, dass das eine Wunschvorstellung ist, aber ich bin halt ein Befürworter von Regionalität. Auch abseits vom Skaten bin ich ein Globalisierungsgegner. Ist ein schwieriges Thema,schließlich hat ja alles zwei Seiten. Egoismus ist auf jeden Fall das Schlimmste für den Planeten!

Lange Zeit hast du bei der Post gearbeitet. Stimmt das Gerücht der einsamen Hausfrauen, die den Postler verführen wollen?

Ja, das stimmt und um ehrlich zu sein nicht nur die einsamen Hausfrauen!

Welcher Job ließ sich bis jetzt am besten mit deiner Skateleidenschaft vereinbaren?

Schwer zu sagen. Eigentlich gar keiner weil: „the worst day skating is better than the best day working „ ….bis jetzt.

Vor kurzem hast du zu studieren begonnen und arbeitest nebenbei in einem Grow-Shop. Hast du dort schon Wissen für dein Studium sammeln können?

Voll. Ich begeistere mich extrem für Naturwissenschaften und mit Freunden aus der Heimat zusammenzuarbeiten, macht einfach Spass. Wir sind auch nicht der Grow-Shop im klassischen Sinn, sondern ein zukunftsorientiertes Unternehmen das Cannabis mit seinen zahlreichen Inhaltsstoffen aus medizinischer Perspektive betrachtet.

Im Herbst warst du mit Johannes Wahl auf Tibet Tour. Neben dir waren u.a Chris Hasslam und Madars Apse am Start. Wie war die Tour für dich und wie hat sich der Wahl beim filmen geschlagen?

Am Himalaya auf Skateboard-Tour zu sein hätte ich mir vor ein paar Jahren wohl nicht mal erträumt. PROPS an Johannes Wahl der die Idee dafür hatte und das ganze Ding superprofessionell durchgezogen hat. Da wird es ein paar schöne Aufnahmen zu sehen geben. Keep your eyes open!

Welchen Stellenwert hat Skateboarden nach so vielen Jahren für dich?

Ohne Skaten wäre mir einfach langweilig. Ich brauche Skaten um mein Leben in Waage zu halten. Es gibt mir das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun. Für mich bedeutet Skaten in erster Linie auch Spaß. Ich gehe ungern in einen Skatepark und trainiere bestimmte Tricks. Deswegen bin ich vielleicht auf Rails eher sketchy unterwegs, weil ich es eben nie wirklich trainiert habe, aber wie gesagt darum geht es mir nicht. Ich bin auch sehr gerne mit Freunden filmen und genieße das Gefühl einen Trick gefilmt zu haben, das gibt mir sehr viel. Auf der Straße zu sein bedeutet etwas zu erleben, weil zu Hause sterben die Leute.