Turtle 3

F O T O S, I N T E R V I E W

Jan_Federer

Turtle 3 also… Du meintest mal, dass du sicher kein full-length Video mehr machen willst. Wieso also dann doch?

Zu Beginn war ich tatsächlich kein Fan von der Idee. Mittlerweile bin ich aber froh, dass mich die anderen in ihrer Motivation mitgerissen haben. Ich find die Herangehensweise ideal, sich wirklich Zeit zu nehmen und einfach alles zu filmen was geht. Die besseren Tricks können dann für das Full-length aufgehoben werden und der Rest wird in Form von kleinen Clips rausgehauen. So kann man die schnelllebige Internetblase mit Videos für Zwischendurch füttern und zum Schluss springt ein fettes Video mit Kinopremiere heraus.

Hattest du Inspirationen? Welche Videos motivieren dich generell gerade?

Nach Jacob Harris mit seiner ‚Atlantic Drift‘ Serie ist nicht wirklich etwas Besseres nachgekommen. Das hat mir sogar so sehr getaugt, dass ich darüber in meiner Diplomarbeit geschrieben habe. Am aller meisten motivieren mich aber eigentlich lokale Videos aus der unmittelbaren Umgebung und wenn jemand genau denselben Drive wie man selbst hat. Da stehen für mich die Relativ- Videos eigentlich an oberster Stelle. Can, Markus, Michi und Co haben da wirklich ihren eigenen Stil gefunden, den ich echt cool finde und der mich antreibt, Turtle Productions weiterzuführen. Vielleicht gibt’s ja mal ein Collaboration-Video, oder Can?

Die Musik ist, wie schon in den letzten Clips, von Sven (Jean Baptista Mukka) und Flo (Euroteuro) hausgemacht. Wie lief die gemeinsame Arbeit?

Dass Sven und Flo absolute Vollprofis auf ihrem Gebiet sind, hab ich spätestens gemerkt als der Fabi – unmusikalisch bis zum Geht-nicht-Mehr – einen Song für’s Video eingesungen hat und es die beiden, wie durch pure Magie, geschafft haben, ihn richtig gut klingen zu lassen. Das hab ich bis dato für komplett unmöglich gehalten – nichts für Ungut, Fabi! Ich kann’s kaum erwarten bis die breite Öffentlichkeit diesen Hit zu hören bekommt. Der Voodoo Jürgens ist übrigens auch extremer Fan davon! Der Prozess für’s Video war dann so, dass ich anfangs einen Raw-Edit der Footage gemacht und grob in Parts unterteilt hab. Danach haben wir uns zusammengesetzt und ungefähr überlegt, welche Musikrichtung zu wem gut passen könnte. Manchmal gab es bestimmte Songs als Vorlage, aus denen dann im weiteren Verlauf ein völlig neues Lied entstanden ist, andere wurden gefreestylet und manche sind von MusikerInnen wie ‚Fridgebitch and the Drain Society‘ beigesteuert worden, um den gesamten Soundtrack so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Diesmal ist wirklich alles bis ins kleinste Detail durchdacht worden. Bei der Premiere wird es übrigens Kassetten mit einem Download-Link für den ganzen Soundtrack zu erwerben geben!

Ich hörte mal, dass du einige penible Änderungswünsche bei den Songs hast? Früher wurde auf den Song geschnitten und du lässt dir die Musik auf die Clips produzieren? Welche Vorteile hast du davon?

Beides hat seine Vor- und Nachteile. Was ich beim Prozess dieses Videos aber speziell hervorheben muss ist, dass es viel mehr den Charakter eines Gruppenprojekts bekommen hat, was ich wirklich großartig finde. Während ich in der Vergangenheit immer alles alleine gemacht habe, werde ich jetzt von Simon beim Filmen unterstützt und Sven und Flo sind für die Musik zuständig. Der Nachteil dabei ist, dass man im Umkehrschluss mehr von den anderen abhängig ist. Da wir mittlerweile auch alle nebenbei arbeiten, kann das dann zu Verzögerungen führen. Eigentlich wollten wir das Video ja schon letztes Jahr zeigen…

Du hast dir doch auch mal einen Synthesizer zugelegt. Wie läuft’s damit?

Pfff, der liegt mit einer fetten Staubschicht irgendwo herum. Musik sollte doch lieber jemand anderes machen…

In die Animationen investierst du enorm viel Zeit. Hat sich der Arbeitsprozess über die Jahre geändert/weiterentwickelt?

Ehrlich gesagt hab ich mich animations-technisch ein wenig zurückentwickelt. Die Schuld dafür würde ich der Einfachheit halber meinem neuen Vollzeitjob in die Schuhe schieben. Ich unterrichte nämlich seit September an einem Gymnasium, da bleibt in einer regulären Woche leider nicht mehr genügend Freizeit, um neben Skaten und Filmen auch noch viel zu animieren. Das bedeutet aber nicht, dass im Video gar keine Animationen zu sehen sein werden. Die letzten Monate hab ich mich einfach mehr darauf fokussiert, mich filmisch weiterzuentwickeln. Ich hab mir eine Canon EOS M als eine Art Styleshot-Kamera zugelegt, die eine 16mm-Kamera imitieren soll, mit der ich jetzt sogar das Musikvideo für Flo’s neue Single „Mond“ gefilmt hab. Kurzgesagt bekommt das Turtle 3 eine komplett neue visuelle Ästhetik, aber mehr verrat ich an dieser Stelle nicht.

Jeder der schon mal mit dir Filmen war, weiß wie wählerisch du mit Spots sein kannst. Was sind die größten „No-Gos“, wenn dir wer einen Spot vorschlägt?

Prinzipiell film ich nur ungern an Spots, die man schon kennt. Wenn ich mich in den Betrachter meines eigenen Videos hineinversetzen würde, dann will ich beim Anschauen ja überrascht werden. Taucht ein bekannter Spot auf, hab ich schon eine Vorahnung was ungefähr passieren wird und es gibt nichts Langweiligeres, als ein berechenbares Video. Aber natürlich kommt es auch vor, dass es uns hier und da an einen bereits bekannten Ort verschlägt. In solchen Fällen find ich das ‚wie‘ interessanter als das ‚was‘, sprich: einen bekannten Spot auf eine neue Art und Weise skaten als einfach einen noch besseren Trick als irgendjemand zuvor zu machen. Für mich stellt der kreative Aspekt beim Skateboard-Fahren einen viel größeren Reiz dar, als die leistungsbezogene Performance.

In der finalen Phase ging die Produktivität nach unten. Sind die Turtles keine „Deadline Skater“?

Ich glaub unsere Stärken liegen einfach nicht im fette-Tricks-hammern und noch weniger im Claimen und Ausführen. Die produktivsten Sessions haben wir meistens, wenn wir eine übersichtliche Crew sind, losziehen und einfach schauen was passiert.

Die Crew hat sich wie in einem Fußball Kader laufend geändert. Wie leicht ist es noch neue Gesichter für Turtle Productions zu finden?

Das klingt fast so, als ob ich Skater scouten würde. Hin und wieder bekommen wir zwar Neuzuwachs, aber das ergibt sich eher natürlich, auf einer freundschaftlichen Ebene. Tatsächlich war es in den letzten Jahren ein abwechslungsreiches Kommen und Gehen, trotzdem hat sich der Kernteil der Crew nicht auseinander gelebt. Vielleicht liegt das auch an unseren regelmäßigen Treffen an den Turtle-Sundays, haha…

Simon hat für dieses Video einiges an Material beigesteuert. Würdest du eure Clips noch stilistisch auseinander kennen? Und was sind deiner Meinung nach seine besonderen Stärken beim Filmen?

Simon gehört auf alle Fälle zu jenen Filmern, die viel mehr hyped auf die Footage sind als die Skater selbst. Das kann einen schon richtig motivieren. Ich bin eher ruhig und geduldig, weshalb wir uns auch so super ergänzen und was wahrscheinlich auch der Grund dafür ist, dass wir als Team so spitzenmäßig funktionieren. Was die Footage betrifft glaube ich, dass man nicht mehr auseinander halten kann, wer was gefilmt hat. Wir könnten bei der Premiere ja ein Trinkspiel daraus machen, haha. An dieser Stelle muss ich wirklich nochmal betonen, dass ich extrem froh über Simons tatkräftige Unterstützung bin. Es macht nicht nur extrem viel Spaß mit jemanden diese Leidenschaft teilen zu können, ich bin vor allem auch unendlich dankbar einen vertrauensvollen Filmer zu haben, wenn ich selbst einmal skaten will. Wie lang er mich teilweise filmen musste – frage nicht! Tausend Dank, Simon!

Schörgi feiert sein Comeback und das als Produktivster überhaupt. Wie kommt’s?

Ich glaub das hatte viel mit einer Umstellung seines Lebensstils zu tun. Er war extrem skatemotiviert und von heute auf morgen wieder voll am Start. Der Schörgi ist einfach zu 100% Streetskater – oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Beim Skaten ohne der Kamera tua i ma nua weh.“

Wie zufrieden bist du mit dem Endergebnis?

Mit den EndergebnissEN meinst du wohl? Wir filmen doch nicht zwei Jahre um dann nur ein einziges Video rauszubringen… welche zwar noch nicht fertig sind, aber wenn sie so werden, wie ich sie mir vorstelle, dann werden sie extrem epic!

Die Release wird am Vladimir Film Festival stattfinden. Warst du schon mal dort?

Ich hab es mir zwar schon oft vorgenommen, hab’s dann aber doch nie geschafft. Umso cooler ist es, dass wir die zweite Premiere des Turtle 3 dort feiern können. Turtle goes international!

“Für mich stellt der kreative Aspekt beim Skateboard-Fahren einen viel größeren Reiz dar, als die leistungsbezogene Performance.”

Wie läuft’s eigentlich in der Schule? Du hast ja mal erzählt deine SchülerInnen hätten dich mal gegoogelt. Wie war die Reaktion?

Als ich zu unterrichten begonnen habe, war eine meiner größten Sorgen, dass meine SchülerInnen herausfinden, was ich in meiner Freizeit mit Turtle Productions so mache. Mittlerweile bin ich fast enttäuscht, dass ich erst nach 8 Monaten Schule das erste Mal auf’s Skaten angesprochen wurde. Eigentlich haben sie auf Google nur meinen Account beim Skateboard Club Vienna gefunden und nicht verstanden, warum ich Skateboard Kurse gegeben habe. Lustigerweise haben die meisten Kinder eine sehr konservative Vorstellung einer Lehrperson, in welches Skateboard-Fahren oft nicht hinein passt. In technischem Werken recycle ich mit den DrittklässlerInnen gerade alte Skateboards und daraus bauen wir Ohrringe und Schlüsselanhänger. Da tun sie mir immer ziemlich Leid, wenn sie die komplett abgefahrenen Boards vom Fuxl mit Müh und Not abschleifen müssen. Unlängst hat mich eine Schülerin gefragt, ob sie gerade jenes Skateboard abschleift, das ich „nach dem Geländer-Rutschen auf den Boden schmeiße“. Scheinbar ist sie mit ihren Freundinnen über das Burgenland Tour Video gestoßen und hat sich über meinen Freak-Out bei den Boardslide Versuchen lustig gemacht. Wer weiß, was sie noch alles von mir schon gefunden haben.

Wo siehst du Turtle Productions in 5 Jahren.

Ich hab gerade nachgeschaut und unser letztes Interview liegt genau 5 Jahre zurück – genauso wie unser letztes full-length Video. Damals hast du auch über die Zukunft von Turtle Productions nachgefragt. So falsch hab ich damals nicht gelegen, als ich behauptet habe, dass es uns immer noch geben wird. Siehe da, jetzt präsentieren wir sogar schon unser drittes Full-length. Vielleicht lieg ich dann auch diesmal gar nicht so verkehrt, wenn ich „Turtle 4-ever“ für 2027 ankündige. Let’s go!